Die Alm – Traditionen für die Zukunft

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Die Almwirtschaft ist uralt, fast so alt wie der Bauernhof in Norwegen. Archäologische Funde aus den Tälern im inneren Sogn zeugen von Almwirtschaft schon in der älteren Eisenzeit, im 7. Jahrhundert.

Von Jostein Sande, Norsk Seterkultur

Almen waren – und sind noch immer, ein fester Bestandteil der norwegischen Landwirtschaft, vor allem in der Kuhmilch- und Ziegenmilchproduktion. Schon im 12. Jahrhundert wurden Gesetze erlassenen, die den Almbetrieb regulieren. So heißt es im Gulating-Gesetz, dass ein Bauer, der seine Kühe und Ziegen nicht auf die Alm brachte, für Grasplünderung angeklagt werden konnte! Früher ging man davon aus, das die Kühe 2/3 der Jahresproduktion in der Almzeit produzierten, und im Winterland Norwegen war natürlich entscheidend, dass diese Rohware zu Nahrung, die gelagert und im Laufe des Winters verzehrt werden kann, veredelt wurde.

Die Almwirtschaft ist für den einzelnen Bauern mit weidenden Haustieren von entscheidender Bedeutung. Aber auch für die Kulturlandschaft und die biologische Vielfalt ist sie ausschlaggebend.

Die norwegische Almwirtschaft, ist wie auch sonst in Europa, im Rückzug. Trotzdem ist Norwegen immer noch ein Hauptgebiet dieser gemeineuropäischen Wirtschaftsform. Um 1850 wurden immer noch um 100.000 Almen bewirtschaftet, 1939 um 27.000. Im Sommer 2002 wurden 1078 einzelne Almen bewirtschaftet. Hinzu kommen 839 Bauernhöfe, die Kühe oder Ziegen zu gemeinsam betriebenen Almen brachten.

Die Almkultur in Norwegen ist weitgefächert, von Süd bis Nord, von West bis Ost, einzelne und gemeinsam betriebene Almen, hoch oben oder in Niederungen, einsam oder viele zusammen, nahe oder weit weg… die Milch wird abgeholt oder man veredelt selbst, einige haben sogar keinen Zufahrtsweg. Das einzigartige mit der norwegischen Almwirtschaft ist, dass man in den Fjordsiedlungen und Küstenorten immer noch lebenskräftige Almen findet – nicht nur in den klassischen Bergdörfern.

Die weitgefächerten Traditionen der kleinen Milchwirtschaft wurden auf den Almen am Leben erhalten – heute ist dieses eine ergiebige Wissensquelle! Größtenteils ist dieses ein mündlich überliefertes Wissen. Die Almen haben außerdem lange Traditionen auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs und der Rekreation. Dieses Wissen kann in Bücherregalen gesammelt werden und in Reiseführern niedergeschrieben werden. Das Wissen muss jedoch durch den praktischen Gebrauch am Leben erhalten werden. Um Authentisches zu vermitteln muss es praktisch angewandt werden.

Es ist nicht schwer zu sehen, wie die aktive Almwirtschaft die Landschaft und deren Vielfalt pflegt, und wie dramatisch Dinge sich ändern und für immer verschwinden, wenn die Alm aufgegeben wird! Die Almen werden von kleinen und mittelgroßen Milchproduzenten in Betrieb gehalten, die Höfe haben im Durchschnitt wahrscheinlich nicht mehr als 15 Kühe. In den «besten» Almgebieten, im Bezirk Oppland, liegt die durchschnittliche Viehzahl auf 12-13 mit einer Durchschnittsproduktion von ca. 60 Tonnen. Um überleben zu können, ist die Almwirtschaft von solchen Bauernhöfen abhängig.

Es ist wichtig, die von Haustier, bloßen Händen und Muskelkraft geformte Landschaft zu bewahren. Der Traktor hat für kurze Zeit übernommen, jetzt sieht es jedoch so aus, als ob auch die vom Traktor geschaffene Kulturlandschaft verfällt.

Falls wir die Kulturlandschaft und Einseitigkeit des Autos und der Freizeitgesellschaft übernehmen werden wir verarmen…!

Auf der Alm hat die Kleinproduktion durch das mündlich überlieferte Wissen überlebt. Die Almtraditionen sind eine unerschöpfliche «Goldmine», Beschreibungen wie exklusiv und exotisch sind treffend und die lokalen und regionalen Varianten und verschiedenen Produkte bieten eine große Vielfalt. So hat man einen ausgezeichneten Ausgangspunkt für Produktion und Schulung, dann brauchen wir jedoch die Menschen und Gehöfte, die diese Wirtschaftsform am Leben erhalten! Es ist schwer vorstellbar, das die Milchroboter etwas wissen über Almabtrieb, Käsebereitung und Buttern…!

Willkommen im Gebirge – willkommen auf der Alm